21.07.05

notaufnahme

Gelernt und erfahren:

Immer, immer 10 Euro einstecken haben - für den Fall, dass man einen Notarzt braucht. Früher hiess es, man soll immer frische Unterwäsche anhaben.
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Auch wenn man mit einem Angehörigen in die Notaufnahme kommt, der ersichtlich im Schockzustand ist und schreckliche Schmerzen hat, müssen erst, nicht zu schnell, nein nicht zu schnell die Angaben von der Chipkarte in den Computer getippt werden. Und das Geld muss kassiert werden mit Quittung, die man jetzt wirklich nicht braucht. Auf die Frage, ob nicht schon mal nach dem Patienten geschaut werden kann, die freundliche Antwort: "Schneller geht es nicht."
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Warum gibt es hier keine Toilette für die wartenden Angehörigen. Zum Kotzen oder dass man etwas Wasser trinken kann. Trockener Mund.
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Die anderen Angehörigen wirken entspannt. Denen ist garnicht schlecht oder so.
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Jetzt muss das Auto aber vor der Tür weggefahren werden. Freundliche Aufforderung. Erlaubten Stellplatz suchen - nervenflatternd. Das Auto ist nagelneu und grösser als das eigene - schlecht bei kleinen Parklücken. Sieben Runden ums Karree.
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Gedanken laufen. Was ist, wenn. Wenn, dann. Oder aber. Vielleicht auch nicht. Oder doch. Wie dann, wenn.
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An das Haus voller Blut denken, in das man dann zurückkommen wird.
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Die lindgrüne Farbe der Türen ist gut. Wirklich gut. Lindgrün.
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Die Frau neben einem riecht so nach altem Menschen, dass ein Platzwechsel ansteht. Was ist das, wonach alte Menschen dann riechen? Was muss man tun, damit man in ein paar Jahren diesen Geruch nicht verströmt?
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Viele Menschen in weissen Kitteln. Schichtwechsel.
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Schwester Rosi wird oft gerufen. Sie wird gebraucht.
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Könnte es helfen, wenn man den Verbandsmull, den man in der Tasche hat ein bisschen auftrennt? Nö, hilft nicht und sieht auch blöd aus.
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Das eigene Körperteil untersuchen, um festzustellen, wie es an welcher Stelle funktioniert und was jetzt bei J. ausfallen könnte fürderhin. Sieht übrigens auch blöd aus.
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What the hell, warum wechselt nun die Frau, derentwegen man sich umgesetzt hatte, den Platz - und zwar auf einen Stuhl gerade neben einen? Jetzt muss man den Geruch aushalten. Man will ja nicht auffällig werden. Diese Frau nicht mögen. Sie sieht so selbstgerecht aus.
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Die Stühle im Angehörigenwarteraum haben aufgerissene Bezüge. Ist aber ok. Alles perfekt sauber. An Krankenhäuser in armen Ländern denken.
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Der alte Mann mit der Injektionsnadel im Arm, der so freundlich aussieht, hat seit zwei Tagen nichts getrunken. Nicht gut. Aber er hat Ehefrau und Tochter dabei, ist nicht allein.
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Gut zu tun haben sie hier, die Ärzte, Pfleger und Schwestern. Alles leise, ohne Hektik.
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Herumlaufen. Was ist mit J.?
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Nachdem J. drei Stunden da drin ist, an der Rezeption leise nachfragen. Zurechtgewiesen werden, dass das ja nun wirklich nicht lange ist für das, was alles gemacht werden musste. Ja, was musste gemacht werden? Antwort: Ziemlich viel. Aha.
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Dankbar sein, dass es diese Notaufnahme gibt. Qualifizierte Hilfe. Gute engagierte Ärzte.
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J. im Behandlungsraum abholen. Kurze Erläuterungen. Freundlich. Ruhig. Schmerztabletten für zuhause von eins auf vier hochhandeln.
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Es gibt doch eine Toilette hier. Die hat man nur nicht gefunden. Reine Nervensache.
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