27.04.06

zuviel ist zuwenig

Ganz sicher ist es zuwenig, alles irgendwie am Köcheln zu halten. Hin- und herspringend zwischen den Töpfen. Eine Hand voll Fäden, die man nicht alle halten kann, nach denen man sich immerzu bücken muss, um sie wieder aufzuheben. Geschmackloses Essen. Schmutzige Fäden. Das gibt keine Freude.

26.04.06

bahn fahren

Seit einem Monat fahre ich wieder mit der Bahn ins Büro. Zwanzig Minuten zum Kopf aufräumen. Am Morgen in noch so einer Art Dämmerzustand, der nicht vor neun Uhr zu überwinden ist, mischen sich Gedanken, Phantasien, Träume und Erkenntnisse zu einem wohltuendem Konglomerat. Ein Zustand, der vorübergehend Besserung bringt.

verloren

Es passiert ab und an, dass einem Dinge abhandenkommen und man das eine ganze Zeit lang nicht bemerkt. Irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, denkt man auf einmal an diese Sache: "Du hattest doch mal... wo ist das eigentlich hin ... wann habe ich das eigentlich zuletzt gehabt...". Heute morgen in der Bahn dachte ich an meine Lebensfreude. Ich weiss nicht einmal, wann ich sie zuletzt gehabt habe. Und auch nicht, ob sie wiederzufinden ist. Aber ich weiss jetzt, was fehlt und dass ich es suchen muss.

10.04.06

auf der reise - denken

Es passiert nicht viel auf dieser Reise. Doch werden nach wenigen Tagen die Gedanken klarer, tiefer, anders. Wir fahren jetzt zurück.
24.03.06 - 25.03.06 Tronzano, Locarno

auf der reise - ästhetisieren

Nun zur Sonnenwärme auch noch der Lugano-Style. Diese leichtere Lebensform. Wohlhabenheit, die aber auch Schönheit befördert. Überhaupt erwacht mit der Wärme und dem damit verbundenen Wohlgefühl der Sinn für Schönheit neu. Schönheit schaffen wollen. Schönsein wollen. Das charakterisiert wohl auch die Atmosphäre dieser Stadt und ihrer Umgebung. Wir wollen jedenfalls nie wieder so dicke Jacken und klobigen Schuhe tragen wie die letzten Monate, wohl wissend, dass uns der deutsche Winter genau dazu wieder bringen wird.

Auf der Piazza Riforma Latte macchiato trinken. Den Besuch der Christo-Ausstellung leider streichen müssen, da noch zu krank.
23.03.06 Lugano

auf der reise - erkranken

J. mit grippalem Infekt. Ich mit mentalem Defekt. Widrigkeiten. Gespenster. Ängste. Trotzdem die Attraktion der ersten warmen Sonne geniessen. Sonnenwohlsein.
21.03.06 - 22.03.06 Tronzano

auf der reise - wärmen

Das erste Mal im Jahr, da man mit nackten Armen in der Sonne läuft, die Luft mild und weich ist, Schmetterlinge vorbeitaumeln. Nur wenige Menschen im immer noch verschlafenen Ort. Vorsaison. Ganz langsam weich werden, Verkrampfungen lösen sich, Ruhe steigt auf.
20.03.06 Morcote

auf der reise - träumen

Da ist dieses Zimmer mit den zwei grossen Fenstern übereck. Altertümliche weisse Gardinen, grosse Helligkeit. Klare Luft. Ruhe. In so einem Zimmer in absoluter Ungestörtheit schreiben, lesen und denken zu können. Sonst nichts müssen. Ein Traum.

Da ist dieses Buch, geschrieben von Frauen, die allein reisen. Später als alte Frau allein durch die Welt zu reisen, auf sehr einfache, ruhige und ursprüngliche Weise. Allein und unbehelligt. Auch ein Traum.
19.03.06 Tronzano

04.04.06

auf der reise - anpassen

Zuerst muss der Raum ein wenig verändert werden. Diese Teller da weg, die Deckchen auch, die Aschenbecher können in den Schrank und dieses hässliche Dingsda auch. Dauert nur Minuten, muss aber immer sein. Geschmacklosigkeiten nicht ertragen können.
18.03.06 Tronzano

auf der reise - wiederfinden

In dieses fremde italienische Haus kommen und sich gleich zuhause fühlen. Es hat den Geruch, den das Haus meiner Urgrossmutter hatte. Nach altem Holz und noch etwas, ich weiss nicht was. Der Geruch, der mich, wenn ich ihn irgendwo wiederfinde, innehalten und eine Weile sehnend nur atmen lässt.
18.03.06 Tronzano

auf der reise - begegnen

Die Begegnung mit diesem Menschen, der es schaffte, meine angestaute grosse Wut in einem Augenblick in Fröhlichkeit und Vertrauen umzuwandeln.

Signore T., der eben noch mit seinen drei Bambini Risotto ass, und uns nun auf einen Teppich der Zugewandtheit setzte, gewann umgehend mein Herz.
18.03.06 Tronzano

auf der reise - irrewerden

Die Unterkunft zur Zwischenübernachtung war einige Kilometer ausserhalb des Ortes. Uns war ziemlich bitterkalt und müde waren wir auch. Also nur schnell irgendetwas essen. Und so fanden wir uns am Freitagabend in einer dörflichen, einfachen Gaststätte. Die Bedienung war ziemlich grob, das Essen ebenso. Feinheiten waren hier nicht gefragt und wurden nicht geboten.

Geboten wurde uns aber ein Einblick. Wir sassen in einem kleineren Zimmer, das vom eigentlichen Gaststättenraum nur durch eine dünne, in der oberen Hälfte verglaste Wand getrennt war. Damit war alles zu sehen und zu hören. Wir sahen und hörten - einen Vereinsabend. Kälte und Müdigkeit, grobe Bedienung und schlechtes Essen machen nun den Blick nicht unbedingt mild und weich, eher gibt es ihm eine geschliffene Messerschärfe.

Wir sahen das Präsidium, das Eintreffen der Teilnehmer, die Begrüssungen, das Blumenüberreichen, das stolze Aufstellen zum Photographieren, hörten die Abrechnung des Vorjahres, die Danksagungen, die Vorhaben für das kommende Jahr.

Im Grunde sahen wir anderes. Das Wichtigtuen und Wichtigseinwollen, das unbedingte Beachtetsein- und unreflektierte Dazugehörenwollen. Diesen dummen Stolz über öffentlich ausgesprochenen Dank der oberen Wichtigtuer an die unteren Wichtigseinwoller. Diese selbstzufriedene Genugtuung der oberen Wichtigtuer über die Unterordnung, die ihnen die unteren Wichtigseinwoller entgegenbringen. Die Geistlosigkeit.

Was währenddessen immer deutlicher wurde, war, dass die Ost- und Westdeutschen, deren Sozialverhalten sich in den Jahrzehnten der getrennten Lebenswelten so unterschiedlich entwickelte, dass sie einander oft nur schwer oder garnicht verstehen können, völlig identisch geblieben sind in der Vereinsmeierei, in diesen Abläufen, Verhaltensweisen, Gesten, Worten. Das gibt's doch nicht.