29.09.05

klassenkampf

oder der Tag, an dem ich ein Nazi war.

Das Vorhaben, die Kundgebung mit Sch**huber zu photographieren, die Zuhörer, die Atmosphäre festhalten. Blossstellen mit Bildern. Nach dem Büro in die Stadt zur Kundgebung. Wenig Teilnehmer, vor allem ältere Leute mit einem kleinen flachen Leben, dazu einige vom harten Kern und martialisch schauende Ordner, ganz in Schwarz, den Schirm wie einen Schlagstock haltend, gestraffte Haltung.

Viel mehr Linke und protestierende Gegner. Unheimlich laut. Trillerpfeifen, Rufe, Trommeln.

Ich mit dem Photoapparat inmitten der NPD-Anhänger. Schwierig von diesen die erhofften Photos zu machen. Stehen zu weit auseinander. Fade nichtssagende Gesichter. Erbärmlich. Dumpf. Feindselig. Zu dunkel schon. Es strengt mich an, ich bin angespannt. Ich trage schwarze Sachen (büro- nicht autonomenmässig). Ich sehe aus wie die Naziordner, nur ohne Armbinde. Nun sagt der Sch**huber etwas derart Aberwitziges*), dass ich wirklich lachen muss. Der Mann neben mir, auch photographierend, lacht ebenfalls. Doch als ich ihn verständnissinnig anschauen will, erkenne ich, der lacht, weil er es so gut fand.

Ich muss da raus, dränge mich durch die Polizeiabsperrung auf die Seite der Protestierenden. Endlich aufatmen. Da kommt der trommelnde Afrikaner (wirklich mutig als Afrikaner zu dieser feindlichen Menge zu gehen) auf mich zu, um mir eine kleine Drohung zu sagen, für den Fall, dass ich ihn photographieren sollte. Er hält mich für einen NPD-Anhänger. Der neben ihm stehende Mann fragt mich: "Gehörst Du zu den anderen?" Ich sage: "Nein, ich gehöre zu Euch. Ich photographiere die nur." Ein Gespräch wie in alten Partisanenfilmen.

Es wäre wohl eindeutiger gewesen, ich hätte laut protestiert anstatt zu photographieren. Obwohl das blosse Protestieren eben auch zu wenig ist.

*) der 82-jährige Mann, selbst ein Relikt, dessen Zuhörer an diesem Tag zu einem grossen Teil ziemlich unlebendige über 50-,60-,70-jährige waren, rief mehrfach lauttönend zu den leidenschaftlichen, engagierten, wachen Protestierenden, hier vor allem 15- bis 30-jährige: "Eure Zeit ist abgelaufen." Gibt's das?

28.09.05

nicht verheilt

Gestern ruckartig alte Narben aufgerissen. Übel war mir. Selber schuld. Ich darf nicht dorthin gehen, schon garnicht, wenn da alle drei gegenüber sitzen und agieren. Ganz still und krank geworden bei ihrem lauten und aggressiven Reden. Nur noch wegwollen. Keine Chance dort noch etwas zu ändern. Es ist nicht meine Pflicht.

26.09.05

komik

Sonntagvormittag auf einem Felsen mit Ausflugsgaststätte. Weitgehend sehr einheimische Gäste rundum. Eine unglaubliche Menge an Alltagskomik. Cordula hätte es gefreut.

Sehr schön zum Beispiel das Wiedersehen zweier alter Frauen nach vielen Jahren, das sich just auf diesem kleinen Felsen abspielte. "Ja, da haben Sie mich wiedererkannt. Da habe ich mich wohl garnicht verändert." "Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil."

22.09.05

angemessenes verhalten

Pflichtantworten auf Pflichtfragen.

15.09.05

unwohlsein

Zeiten, in denen man die Manieriertheiten und das Gestelzte mancher Schreibenden nicht erträgt, obwohl man es doch sonst ganz gern gelesen hat. Zunehmend befremdet auch vom so vordergründigen Konkurrieren um Plätze und Preise. Schade drum, weil es die doch eigentlich Begabten, Inspirierten ins Banale führt. Geistreiches verliert sich in Luftblasen. Das Wesentliche und Bleibende wird geflissentlich umrundet als wäre es Dreck. Es ist ja auch so, dass der, der in die Tiefe geht, nicht unbeschadet herauskommt. Da ist kein Tänzeln in weissen Schuhen und unberührtes Schweben. Da ist Schwere, und es lässt einen nicht kalt. Aber das letztendlich so belanglose ewig ausweichende Kreisen wird zunehmend zur Farce. Diese Farce ist es, die Übelkeit hervorruft.

14.09.05

abstellen

Ich habe es wieder getan. Der Mund sagte: "Ich mach das schon. Ich kümmere mich darum." Schon beim Aussprechen wurde mir bewusst, dass ich das nicht sagen und auch nicht tun will. Aber wie kommt man da wieder heraus, wenn man es bereits ausspricht, und der andere so unglaublich erschöpft und so garnicht in der Lage ist ... Ich stehe bei diesem Gespräch neben mir und sehe genau, dass der andere wohl könnte, wenn er sich nur zwingen würde. Und ich weiss, dass ich erschöpfter bin und selbst Unterstützung brauchte. Und ich weiss, dass genau diese klassische Situation in jedem Psychologiebuch nachzulesen ist. Alles gelesen, alles gewusst, aber der Automatismus ist immer noch nicht ausgeschaltet.

09.09.05

leben und sterben

... nicht ohne Narben sterben - zu lesen bei brain farts . Schrecklich, real, wesentlich.

angst und spiritualität

Gestern abend in 3sat eine gute Sendung zum Thema Angst. Zu kurz natürlich. Besonders aufgefallen einer der Gäste - Prof. Dr. Michael von Brück, ein äusserst interessanter Mensch, zu dessen Leben ich nur sagen kann: Respekt.

Seinen Büchern und seinem Tun werde ich nun sehr aufmerksam folgen.

08.09.05

dünnhäutig

Immer wieder sehen, dass man an Orte kommt, an denen man die Menschen erträgt.

06.09.05

fluchtpunkt

Lesenacht in einer Buchhandlung, die ich mag. In einem Raum mit Frauen, die alle lesen - auf dem Fussboden, Stühlen, Sitzkissen, an Regalen stehend. Absolute Stille. Selten kurze Worte zu einem Buch. Warum fühlt sich das so gut an? Warum lesen wir hier statt zuhause im Sessel?

Versunken in den Büchern, geborgen in der Stille, Fluchtpunkt.

05.09.05

anliegen

Ich will hier einen anderen Ton. Und ein neues Layout.